Provenienzforschung
Die Herkunftsgeschichte eines jeden Kunstwerks ist einzigartig und diese aufzuspüren, ist die Arbeit der ProvenienzforscherInnen an Museen. Sie untersuchen, unter welchen Umständen Objekte in die Sammlungen kamen und bringen damit vergessene Geschichten hinter den Werken und ihren früheren Eigentümern wieder zum Vorschein.
Die Provenienz eines Werks beginnt bei seiner Entstehung im Atelier oder der Werkstatt und reicht bis zum heutigen Standort in einer Sammlung. Je älter ein Kunstwerk ist, desto herausfordernder ist es für die Forschung, für jedes frühere Besitzverhältnis Nachweise zu ermitteln. Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der Provenienzgeschichte können sich an den Werken selbst in Form von Sammlerstempeln, Beschriftungen oder Ausstellungsetiketten befinden. Schriftliche Dokumente im eigenen Museumsbestand sowie externe Archivalien werden nach entsprechenden Hinweisen ihrer Herkunft ausgewertet. Dazu gehören zum Beispiel Unterlagen des Kunsthandels und Ausstellungs- oder Auktionskataloge, die zur Untersuchung herangezogen werden. Der Kern des Aufgabengebiets liegt darin, Sammlungsobjekte zu identifizieren, die aus Unrechtskontexten stammen oder deren Erwerbsumstände ungeklärt sind. Zu solchen gehören insbesondere NS-Raubgut, Kulturgut-entziehungen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und DDR, Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten und Kriegsverluste. Die Relevanz der Provenienzforschung führt über das Aufklären von Unrecht und die Vorbereitung von Restitutionen hinaus. Sie bewirkt, die eigene Sammlungspolitik und Institutionsgeschichte besser verstehen zu können. Darüber hinaus spürt sie anhand der Lebensgeschichten von Objekten und involvierten Akteuren Verflechtungen von sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Dimensionen auf.
Provenienzforschung an der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau
Der Fokus liegt mit dem aktuellen Forschungsprojekt „Zugänge in die Gemäldesammlung zwischen 1933-1945“, das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert wird, auf der Zeit des Nationalsozialismus. Der Bedarf an weiterführender Provenienzprüfung nach NS-Raubgut konnte 2020 während eines sogenannten Erstchecks bereits ermittelt werden. Mit der Untersuchung des Museumsbestands stellt sich die Stadt Dessau-Roßlau als Träger des Museums seiner moralischen und ethischen Aufgabe, systematisch nach Kunstwerken zu suchen, die verfolgten Personen durch das NS-Regime entzogen wurden und faire und gerechte Lösungen mit den rechtmäßigen Erbnachfolgern zu finden. Damit folgt die Stadt den Grundsätzen der „Washingtoner Prinzipien“ von 1998 und der „Gemeinsamen Erklärung“ der Bundesregierung, der Länder und kommunalen Spitzenverbänden von 1999.
Mit Abschluss des laufenden Projekts soll ungeklärter Fremdbesitz in der Datenbank Lost Art veröffentlicht werden. Die Kriegsverluste der AGD sind bereits als Suchmeldungen recherchierbar.